Ebenso wie die Zellkörper selber ist auch das Cytoskelett der Untersuchungsobjekte zumindest in zwei Bereiche gegliedert: In das zentrale Plasma, das vereinzelte oder in wenigzahligen Bündeln gesammelte Mikrotubuli enthält, und das periphere Filopodiennetz, das größere Bündel streng geordneter Mikrotubuli enthält. Abbildung Nr. 39 zeigt ein typisches größeres Filopodium von Reticulomyxa im Querschnitt. Zahlreiche 3- bis 20-zählige Bündel aus Mikrotubuli, die untereinander durch Querbrücken verbunden sind (Pfeile), wurden angeschnitten. Die Mikrotubuli eines Bündels berühren sich fast nie, meistens halten sie einen Mindestabstand von 10 - 15 nm zueinander ein. Zwischen den einzelnen Bündeln eingestreut sieht man die Querschnitte sogenannter "fuzzy coated vesicles", die ebenfalls für Reticulomyxa und Allogromia typisch zu sein scheinen (Travis und Allen, 1981, Bowser und Rieder, 1984, Hauser, 1989). Diese Vesikel kommen meistenteils in den Filopodien vor und sind ungefähr 100 - 200 nm im Durchmesser bei einer Länge von bis zu 1,5 mm. In Abb. 40, einem Ausschnitt aus dem vorherigen Bild, erkennt man deutlich, daß die fuzzy vesicles von einer Elementarmembran umschlossen sind, deren äußere Schicht aus unregelmäßig strukturiertem elektronendichten Materials besteht. Die fuzzy coated vesicles sind ungefähr zur Hälfte mit einer elektronendichten Masse erfüllt (Abb. 66 und 53), so daß sie im Querschnitt an manchen Stellen des Präparats nur als dunkle Flecke ohne Binnenkontrast auszumachen sind. Ebenfalls in Abb. 40 erkennt man ein ungefähr 300 nm langes und 6 nm dickes Filament, das zwei Mikrotubuli miteinander verbindet. Nach der Dicke des Filaments zu schließen, könnte es sich um Aktin handeln. Aktin ist ein wesentlicher Bestandteil des Cytoskeletts von Reticulomyxa, der sich allerdings ohne Dekoration mit dem S1-Fragment des Muskelmyosins im EM nur schwer darstellen läßt. Durch die Behandlung mit einem Lysiermedium werden in den feinen Filopodien sämtliche plasmatischen Bestandteile entfernt, und nur noch das Cytoskelett bleibt übrig. Abbildung Nr. 41 zeigt einen Teil eines lysierten Filopodiums. An den Mikrotubuli erkennt man zahlreiche Proteine (siehe Punkt 3.6.1), die Mt untereinander verbinden oder andere Funktionen haben. Außerdem ist auch in dieser Abbildung ein Mikrofilament zu erkennen (Pfeilkopf).

3.6.1 Querbrücken und MAPs bei Reticulomyxa filosa

3.6.1.1 Struktur von Querbrücken und MAPs

Die auffallendsten Querbrücken zwischen den Mt von Reticulomyxa sind in Abb. 41 erkennbar und scheinen unter anderem der Bündelung der Mt zu dienen. Sie sind streng geordnet, haben untereinander einen mittleren Abstand von ca. 21,5 nm, ihre Länge beträgt ungefähr 17, und ihr Durchmesser ca. 10 nm (Abb. 42). Diese Querbrücken findet man in allen Bündeln von Mikrotubuli, allerdings sind sie nie über die gesamte Länge eines Mt zu verfolgen, sondern liegen in kleinen plaques von 100 bis 500 nm Länge vor, innerhalb derer sie streng geordnet sind.

Den gleichen Typus von Querbrücken kann man auch zwischen Mt und der Zellmembran (Abb. 43), sowie zwischen Mt und adhärierten Organellen (Abb. 44) finden. Auffällig an diesen Querbrücken ist, daß ihre Orientierung zum Mikrotubulus nicht senkrecht oder zufällig ist, sondern daß im Ultradünnschnitt die meisten Brücken zu einem Ende des Mt weisen, wobei benachbarte Querbrücken die gleiche Polarität aufweisen, weiter entfernte jedoch entgegengesetzt orientiert sein können (mittlerer Mt. in Abb. 43). Weiterhin ist bemerkenswert, daß diese Querbrücken, die wahrscheinlich cytoplasmatisches Dynein darstellen, entlang der Mt in Längsreihen angeordnet sein müssen, weil man sie niemals gleichzeitig an einem Mt in Seiten- und in Aufsicht beobachten kann (Vgl. Abbildungen 47 und 41).

Ein zweiter Typus quervernetzender Proteine ist nur in Ultradünnschnitten zu erkennen. Es handelt sich um unregelmäßige Strukturen ohne scharfe Konturen, die entferntere Mikrotubuli untereinander (Abb. 42), Mt mit Organellen (Abb. 45), oder zuweilen auch Organelle untereinander (Abb. 40) verbinden. Diese Proteine haben einen unregelmäßigen Abstand voneinander, eine Länge von ca.. 65 nm und eine Dicke von 15 nm. Einen weiteren Typ von Proteinen findet man nur in negativkontrastierten Präparaten, und auch in diesen nur gelegentlich. (Möglicherweise werden diese aufgrund ihrer geringen Größe auch häufig übersehen.) Es handelt sich um kleine, kugel- bis kegelförmige Vorsprünge auf den Mt, deren Länge und Breite jeweils ungefähr 10 nm betragen, und deren Distanz voneinander von 210 bis 250 nm variiert, mit einem mittleren Abstand von 232 nm (n=7) (Abbildungen 41 und 46.).

Über die mögliche Funktion dieser Proteine läßt sich wegen der Schwierigkeit ihres Auffindens in Dünnschnittpäparaten nichts aussagen. Außer diesen durch eine Reihe konstanter Eigenschaften beschreibbaren MAPs finden sich noch zahlreiche unregelmäßig verteilte und strukturierte Proteinkörper an den Mt von Reticulomyxa filosa, von denen an dieser Stelle nicht entschieden werden kann, ob es sich um MAPs oder um mehr oder weniger zufällig angeheftete Strukturen oder Plasmaklumpen handelt.

3.6.1.2 Einfluß von Vanadat und Lysiermedien auf die Erhaltung von Mt und MAPs

Für die vergleichende Untersuchung der Wirkungen unterschiedlicher Lysiermedien wurden zwei sehr verschiedene Medien eingesetzt: Das Lysiermedium III, das auf Schliwa (1987) zurückgeht, und auf einem mit Hexylenglykol und Brij 58 modifizierten 30 mM PHEM-Puffer basiert, und das Lysiermedium IV, das von Golz (1986) verwendet wurde, und aus einem mit Triton, DMSO und Glycerin ergänzten 100 mM Cacodylatpuffer besteht.

In beiden Lysiermedien wurde außerdem noch in verschiedenen Versuchen die VO43- -Konzentration zwischen 1, 2, 4 und 8 mM variiert. Die lysierten Cytoskelette wurden durch Zentrifugation gereinigt. Am auffälligsten sind bei diesen Versuchen die Unterschiede zwischen den beiden Lysiermitteln. Während das von Schliwa (1987) angewandte Lysiermedium die Oberflächenstruktur der Mt brillanter erhält, und die nach der Zentrifugation erhaltenen Mt- Bruchstücke um den Faktor 2 bis 3 länger sind, als bei dem Medium von Golz, sind kaum noch Querbrücken zwischen den Mt zu finden (Abb. 48). Das Lysiermedium von Golz (1986) erhält hingegen im allgemeinen die Mt schlechter, sie wirken fragiler, ihre Oberflächenstruktur ist nicht so deutlich erkennbar, und die Länge der Fragmente ist kürzer. Hingegen sind die Proteine, die die Mt bündeln, noch deutlich erhalten (Pfeile in Abb. 47).

Die Effekte der unterschiedlichen Vanadat-Konzentrationen auf die Erhaltung von Querbrücken treten demgegenüber zurück und lassen sich nicht klar beurteilen. In dem Lysiermedium von Schliwa werden sie generell nicht erhalten, und in dem von Golz erhalten sich die Querbrücken bei VO43- -Konzentrationen von 1-2 mM am besten. Bei Vanadat-Konzentrationen über 8 mM (Abb. 49) verlieren die Mt an Integrität und fragmentieren oder brechen sehr leicht.

3.6.1.3 Einfluß von Oryzalin auf das Cytoskelett

Das Herbizid Oryzalin ist ein spezifischer Mt-Inhibitor, der bei Pflanzenzellen zum vollständigen Abbau der Mikrotubuli führt. Während Menzel et al. (1990) zum Abbau von Mt bei Acetabularia nur eine Oryzalin-Konzentration von 1 mM benötigten, bildete Reticulomyxa filosa bei Oryzalin-Konzentrationen von bis zu 5 mM noch ein vollständig normales Cytoskelett aus (Abb. 50), das neben zahlreichen Mt auch helicale Filamente in den üblichen Mengen enthält. Bei 10 mM dieses Herbizids im Kulturmedium werden die vorhandenen feinen Filopodien im Verlauf mehrerer Stunden allmählich abgebaut. Die Zelle bildet dabei ständig neue Filopodien, die jedoch nur wenige mm lang werden und dann in ihrem Wachstum stagnieren oder wieder eingeschmolzen werden.

Dieser Vorgang ist durch Auswaschen des Oryzalins wieder umkehrbar. Die Regeneration des RPN erfolgt wie dessen Abbau nur allmählich. Da Oryzalin-Konzentrationen von mehr als 5 mM möglicherweise Ca2+ aus intrazellulären Speichern freisetzt (Menzel, persönliche Mitteilung an Frau Dipl.. Biol.. Hanke-Bücker), kann nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, daß die Substanz in diesen Versuchen direkt den Abbau von Mt bewirkt hat.

3.6.1.4 Einfluß von DMSO auf Cytoskelettstruktur und Querbrücken

Lichtmikroskopische Beobachtungen

Bereits geringe Konzentrationen von DMSO im Kulturmedium beeinflussten das Wachstumsverhalten von Reticulomyxa filosa erheblich. 2 % DMSO führten zu einer deutlich schnelleren Ausbildung von Filopodien und zu einem insgesamt rascheren Auslaufen der Zellen. Dabei hat sich auch das Wachstumsmuster verändert: Es liegen mehr und stärker vernetzte feine Ausläufer vor. Bei 4% DMSO verstärkt sich dieser Eindruck, das Netzwerk feinster Filopodien hat sich noch stärker verzweigt. Zusätzlich beeinträchtigt diese Konzentration an DMSO jedoch ebenfalls noch die Plasmaströmung und den Transport von Organellen in den Filopodien. Während an einigen Teilen des RPN der Organellentransport nicht gehemmt erscheint, gibt es auch einzelne Orte, an denen jede Bewegung zum Erliegen gekommen ist.

Elektronenmikroskopische Beobachtung

In Ultradünnschnitten zeigt sich, daß die Effekte von DMSO über ein erleichtertes und schnelleres Auslaufen der Zellen hinaus gehen. Während feine Filopodien außer der ungewöhnlich starken Vernetzung (Abb. 51) keine weiteren Anomalien aufweisen, fällt in größeren Filopodien auf, daß sie ein außergewöhnlich "elektronendünnes" Plasma aufweisen (Abb. 52). Auch die Mikrotubuli in diesen Filopodien scheinen nicht so starr organisiert zu sein. Nur selten sind gebündelte Mt zu finden, meistens liegen sie verstreut oder weisen, wenn sie parallel liegen, keinen konstanten Abstand voneinander auf, der auf das Vorhandensein bündelnder MAPs schließen ließe. Im Extremfall (Abb. 53) erscheinen die größeren Filopodien fast plasmaleer, und es sind nur noch wenige Mikrotubuli in ihnen zu finden.

Das fast vollständige Fehlen bündelnder MAPs fällt auch an negativ kontrastierten Präparaten auf (Abb. 54). Auch parallele Mt weisen keine deutlichen Querbrücken auf. Nur sehr selten sind bündelnde, Dynein-ähnliche Querbrücken zu finden. Dies läßt darauf schließen, daß DMSO neben dem Effekt auf die Konsistenz des Zellplasmas auch noch direkt oder indirekt die Bindung der Querbrücken beeinflusst. (Zu den Effekten von DMSO siehe auch Kapitel 3.7: Gelelektrophorese.)

3.6.2 Mikrotubuliorganisierende Zentren bei Reticulomyxa filosa

Obwohl Reticulomyxa filosa über ein ausgedehntes und hochdynamisches Netzwerk cytoplasmatischer Mikrotubuli verfügt, ist nichts darüber bekannt, wie und von welchen Organellen dieses Netzwerk organisiert wird. Euteneuer et al. (1989) konstatieren, daß keine offensichtlichen MTOCs gefunden werden, die die Polarität von Mt spezifizieren könnten. Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, wurden kurzzeitig inkubierte zerkleinerte Zellfragmente von Reticulomyxa verwendet, weil bei diesen die Ausbildung des Cytoskeletts noch nicht so weit fortgeschritten ist, und anhand der Filopodienenden die Wuchsrichtung der Plasmodien auch im Ultradünnschnitt noch problemlos festgestellt werden kann.

3.6.2.1 Mikrotubuliorganisierende Zentren im zentralen Plasma

Da die Mikrotubuli im zentralen Zellplasma kaum gebündelt sind, ist es schwer, Mt in Schnittserien zu verfolgen. Nur vereinzelt ist es möglich, in Längsschnitten mögliche Mt-terminierende Strukturen zu finden. (Abb. 55.) Stets handelt es sich dabei um membranöse Vesikel.

3.6.2.2 Die Struktur des distalen Mikrotubulusendes

Die Struktur der dem Zellkörper abgewandten Enden von Mt läßt sich vergleichsweise gut in Serienultradünnschnitten verfolgen. Die Abbildungen 56 a - d zeigen jeweils unmittelbar aufeinander folgende ca. 50 - 60 nm dicke Schnitte der Spitzen von Filopodien. Die Enden der Mt liegen, soweit sie klar erkannt werden können, immer in einer elektronendichten, ringförmigen Struktur von ziemlich konstanten Ausmaßen. Die insgesamt 5 vermessenen Strukturen hatten jeweils ca.. 62 nm Breite und 23 nm Dicke.

Dieses "Cap" scheint das distale Ende des Mikrotubulus nicht zu verschließen (Abb. 56 d), sondern legt sich nur wie ein Kragen über die Außenwände des Mt. Vergleichbare Strukturen konnten in keinem Fall an einer anderen Stelle als am unmittelbaren Ende von Mt gefunden werden. Daß diese Struktur kein Artefakt der in diesem Fall angewandten speziellen Behandlung sein kann, zeigt Abb. 57. Dieses Photo zeigt ein normal ausgewachsenes Exemplar von Reticulomyxa filosa, in dem ebenfalls ein solches Cap angeschnitten zu sehen ist. Mt-terminierende Strukturen lassen sich auch in negativ kontrastierten Präparaten finden (Abb. 58), weisen aber nur selten die typischen Ausmaße von 62 * 23 nm auf, so daß es sich wahrscheinlich in den meisten dieser Fälle um artifizielle Bildungen handelt, bei denen das Cap entweder durch die Lysismedien in der Struktur verändert oder gar ganz entfernt wurde. Eine Ausnahme, in der Größe und Form des Caps mit den Daten der Ultradünnschnitte übereinstimmen, zeigt Abb. 69. Ähnliche Caps haben Golz und Hauser (im Druck) in negativkontrastierten Präparaten von Allogromia gefunden, so daß diese Struktur für beide Organismen typisch zu sein scheint.

3.6.3 Helicale Filamente

Beiden Untersuchungsobjekten ist gemeinsam, daß in ihrem Zellkörper unter natürlichen Bedingungen helicale Filamente vorkommen, wie sie von vielen höheren Lebewesen als Kunstprodukt nach der Behandlung mit Vinca-Alkaloiden bekannt sind. Hauser und Schwab (1974) haben den Nachweis geführt, daß diese helicalen Filamente bei Allogromia aus Mikrotubuli hervorgehen und aus Tubulin bestehen. Seitdem haben eine ganze Reihe von Arbeiten diese These weiter belegt.

3.6.3.1 Allogromia laticollaris

In Allogromia laticollaris lassen sich quasi jederzeit größere Mengen helicaler Filamente sowohl in herkömmlichen Ultradünnschnitt- als auch in negativ kontrastierten Präparaten finden. Helicale Filamente bestehen aus einer linkshändigen Wendel, haben im Negativkontrast (Abb. 60 - 62) einen Durchmesser von 37 bis 46 nm und sind somit immer deutlich dicker als Mt. Die große Variabilität des Durchmessers läßt darauf schließen, daß die Struktur der Hf nicht starr sondern in weiten Grenzen veränderbar ist. Die Höhe einer Wendel beträgt konstant um 9 nm, während der Abstand zwischen den einzelnen Umgängen zwischen 4 und 15 nm liegt.

Je nach Präparation zeigt sich, daß die Wendel, aus der das Hf besteht, noch weiter strukturiert und aus parallel orientierten hantelförmigen Bausteinen aufgebaut ist (Abb. 61, Inset). Diese hantelförmigen Bausteine haben eine Länge von ca.. 9 nm, die mit der Höhe der Wendel identisch ist, und eine Breite von ca.. 4 nm. Damit deckt sich die Größe der einzelnen Bausteine in etwa mit der von einzelnen Tubulin a/b Heterodimeren, und das helicale Filament kann als schraubige Aufwindung paralleler Heterodimere aufgefaßtwerden. Größere Mengen helicaler Filamente lagern sich bei Allogromia laticollaris zu parakristallinen Aggregaten zusammen (Abb. 59).

3.6.3.2 Reticulomyxa filosa

Im Gegensatz zu Allogromia sind Hf bei Reticulomyxa seltener zu finden und bilden nur unter experimentellem Einfluß parakristalline Aggregate. Typische Aufnahmen von helicalen Filamenten im Ultradünnschnitt zeigen die Abbildungen Nr. 63 und 64. Im Rahmen dieser Arbeit war es nicht möglich, mit einer der herkömmlichen Methoden helicale Filamente im Negativkontrast darzustellen. Weder die Verwendung verschiedener Lysiermedien, noch eine der Lysis vorangehende Behandlung mit 4 mM Vanadat oder 6 mM Rutheniumrot nach der Methode von Golz (1986) führten zum gewünschten Ergebnis. Die Präparate wiesen stets nur Mikrotubuli und Mikrofilamente, aber keine Hf auf. Auch Versuche, in denen die pH-Werte des Lysis- oder Kulturmediums (im Bereich von pH 5 - 11) verändert wurden, erzielten keinen Erfolg.

Dies änderte sich erst, als Exemplare von Reticulomyxa filosa vor der Lysis nicht mehr in Medium 1:1, dem normalen Kulturmedium, inkubiert wurden. Da der Verdacht bestand, daß das im Kulturmedium vorhandene Calcium einen Einfluß auf den Erhalt der helicalen Filamente haben könnte, wurden andere Inkubationsmedien eingesetzt. In Präparationen, in denen die Organismen statt in Medium 1:1 in normalem vollentsalztem Wasser auswachsen konnten, fanden sich stets zahlreiche helicale Filamente (Abbildungen 66 und 67). Da die Amöben in reinem vollentsalztem Wasser zu schlecht auswuchsen, wurde außerdem mit getrockneten Weizenkeimen gefüttert. Reines bidestilliertes Wasser erwies sich auch bei ergänzender Fütterung als ungeeignet, denn die Zellen bildeten darin kein RPN aus.

Calcium

Calcium (als CaCl2 ) im VE-Wasser hatte folgende Wirkung auf die Darstellbarkeit von helicalen Filamenten:
Ca -Konzentration: 2 mM 4 mM 6 mM

Helicale Filamente: keine viele viele
(Bei 10 M Calcium flockt das Zellplasma aus, so daß keine genaue Beobachtung mehr möglich ist.)

Magnesium

Der Einsatz von 10 mM Magnesium (als MgCl2) im Inkubationsmedium führte zu einer deutlich erhöhten Anzahl von Hfs in den Präparationen. Bei 100 mM Magnesium bildeten die Zellen kein reticulopodiales Netzwerk mehr aus. Wenn nach erfolgtem Auswachsen in VE-Wasser dieses Medium gegen VE-Wasser mit 100 mM Magnesium vorsichtig ausgetauscht wurde, hörte binnen einer Minute sämtlicher Transport im Zellplasma auf. Nach fünfminütiger Inkubation platzte die Zelle schon bei kleinsten Erschütterungen und gab ihren Inhalt frei. Dies war von keiner merkbaren Volumenveränderung der Organismen begleitet. Daher kann angenommen werden, daß nicht osmotischen Effekte zur Zerstörung der Zellmembran geführt haben, sondern daß sich möglicherweise die Konsistenz der Zellmembran selber dahingehend geändert hat, daß ihre Integrität stark in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Der freigesetzte Zellinhalt enthielt große Mengen helicaler Filamente in lockeren Aggregaten (Abb. 65), während nur noch wenige Mikrotubuli zu finden waren.

Vanadat

Wurde das Inkubationsmedium gegen VE mit 4 mM VO43- ausgetauscht, kam innerhalb von 90 Sekunden der intrazelluläre Transport zum Erliegen. Dies führte ebenfalls zu einer Erhöhung des Anteils helicaler Filamente.

Struktur der helicalen Filamente von Reticulomyxa filosa

Der Aufbau der helicalen Filamente von Reticulomyxa ist mit dem von Allogromia prinzipiell identisch. Unterschiedlich ist lediglich, daß auch Hf mit einem Durchmesser von nur 25 nm beobachtet werden konnten (Abb. 66). Außerdem scheinen die Hf von Reticulomyxa generell fragiler zu sein und brechen leichter. Eine einheitliche Länge der Hf von Reticulomyxa konnte nicht festgestellt werden. Die kürzesten noch als Hf erkennbaren Fragmente waren um 100 nm, das größte beobachtete Exemplar (Abb. 67) war mehr als 2 mm lang. Besonders interessant erscheint Abb. 69. Aus einem Bündel von Mikrotubuli ragt das Ende eines einzelnen Mikrotubulus, das offensichtlich gecapt ist. Form und Größe des Caps (ca.. 55 * 36 nm) decken sich mit denen der in 3.6.2 identifizierten Mt-terminierenden Strukturen. Selbst unter den herrschenden Versuchsbedingungen (das Photo stammt von einem mit Vanadat inkubierten Exemplar), die den rapiden Abbau von Mt förderten, hat sich das Cap nicht von der Spitze des Mt gelöst, es erscheint vielmehr so, als entspringe an der Seite des Caps ein dünner Protofilamentstrang, der zu dem dahinter liegenden helicalen Filament führt.